Ein Positionspapier von Nachhaltigkeitsorganisationen
in der Finanzbranche fordert in acht Punkten einen umfassenden und Transparenz
schaffenden Ansatz für eine Klassifizierung nachhaltiger Investitionsziele und
Kapitalanlagen. Das wollen etablierte Banken und Fondsanbieter offenbar noch nicht
unterstützen. 

Nachdem die EU im Juni Pläne für ein Klassifizierungssystem (Taxonomie) für nachhaltiges Wirtschaften vorgelegt hatte, melden sich jetzt CRIC, FNG, ÖGUT und ökofinanz-21 zu Wort. Sie legen acht konkrete Forderungen vor:

Das Positionspapier wird von zahlreichen nachhaltig orientierten Finanzdienstleistern als „Unterstützer“ unterzeichnet. Auffällig ist die Abwesenheit all der etablierten Banken und Fondsanbieter, die sich beim Thema ESG & Sustainable Finance sonst als Vorreiter präsentieren.

Das
Papier schafft Klarheit. Es zeigt auf der EU-Ebene die Defizite im aktuellen Verordnungs-Entwurf
und die unterschiedlichen Positionen bei der Entwicklung der
Nachhaltigkeits-Taxonomie. Es zeigt auf der Ebene der Finanzbranche in
Deutschland, dass die Ambitions-Niveaus zwischen etablierten und nachhaltig
orientierten Finanzdienstleistern weiterhin sehr unterschiedlich sind.

Und
es zeigt die Notwendigkeit für Finanzdienstleister, sich im Rahmen der anstehenden
Nachhaltigkeits-Regulierungen über einzelne Regulierungsvorhaben hinaus zu
positionieren. Notwendig ist es, eine klare Haltung als gesellschaftlicher Akteur
für eine nachhaltige Finanzwirtschaft mit einer positiven (oder regenerativen)
Wirkung auf soziale und ökologische Systeme zu entwickeln.

Klarheit auf EU-Ebene

Kommission,
EU-Parlament und Ministerrat verhandeln derzeit ein Klassifizierungssystem für
nachhaltige Investitionsziele und Kapitalanlagen. Diese sogenannte Taxonomie
soll – langfristig – in einer Positivliste definieren, welche
Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig bezeichnet werden können. In einem ersten
und kurzfristig anvisierten Schritt soll die Taxonomie nur grüne
Wirtschaftsaktivitäten definieren. Finanzmarktteilnehmer mit Finanzprodukten,
die als ökologisch nachhaltige Investitionen bezeichnet werden, müssen dann
offenlegen, wie und in welchem Umfang die Kriterien der Taxonomie zur
Bestimmung der ökologischen Nachhaltigkeit der Investition herangezogen werden.
Soziale oder Governance-Kriterien werden dabei nur über eine sogenannte
Mindestschutz-Regel – im Wesentlichen nur die Kernarbeitsnormen der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) – beachtet.

Aus
EU-Sicht ermöglicht dieses Vorgehen eine schnelle Umsetzung: bereits Ende 2019
sollen Ergebnisse vorliegen. Die Taxonomie ist neben den Klima- & ESG-Benchmarks
und den Offenlegungen für Investoren einer der drei zentralen Säulen der EU-Politik
zum Thema Sustainable Finance.

Die
Initiatoren des Positionspapiers – CRIC, FNG, ÖGUT und ökofinanz-21 – gelten in
Fachkreisen nicht als aktivistische NGOs. Sie sind Informations- und
Kompetenzzentren mit dem Anspruch, durch Dialog und Informationsaustausch die
Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft zu fördern. Mit dem Positionspapier tragen
sie zur Klarheit bei, was auf EU-Ebene aktuell möglich ist und was politisch
und regulatorisch noch möglich wäre. Strategisch zeigt das Papier daher auch
die weiteren möglichen Entwicklungsschritte der Taxonomie auf. Als Benchmark
sollten die acht Punkte daher in keiner Strategiepräsentation beim Thema
Sustainable Finance fehlen.

Wer strategisch noch ein Stück weiter denken will, sollte die Entwicklungen zum „Blueprint 6: Sustainable Finance“ der Reporting 3.0 Plattform im Auge behalten. Die globale und gemeinnützige Plattform entwickelt Empfehlungen für notwendige Transformationen in verschiedenen Bereichen und Sektoren, um eine prosperierende, regenerative und dezentrale Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. Mit dem Blueprint Nr. 6 soll der Begriff Sustainable Finance definiert und Best Practices zur Erreichung nachhaltiger Ziele identifiziert werden.

Die Rolle der etablierter
Finanzmarkakteure

Die
Mitgliederliste des Mitinitiators FNG umfasst etablierte deutsche Finanzmarktakteure
wie etwa Allianz Global Investors, DekaBank, DWS, DZ BANK, Union Investment oder
LBBW. Keiner dieser Akteure taucht jedoch in der Unterstützerliste der
Stellungnahme auf.

Damit
herrscht wieder etwas mehr Klarheit in der aktuellen Gemengelage beim Thema
Sustainable Finance.

Alle
genannten etablierten Akteure würden für sich sicherlich eine Vorreiterrolle
beim Thema Sustainable Finance, zumindest aber in der klassischen
ESG-Integration beanspruchen. Die regulatorisch ambitionierte (aber keineswegs
radikale oder utopische) Stellungnahme zur Taxonomie wollte aber offenbar keines
der etablierten Finanzinstitute unterzeichnen.

Es ist legitim und verantwortungsvoll, nur Positionspapiere zu unterzeichnen, die auch dem eigenen Ambitions- Niveau oder Public-Affairs-Rahmen entsprechen. Die Börsenzeitung schreibt dazu in einem Kommentar, dass „die Fondshäuser vor dem Balanceakt stehen, in ihrer Rolle als Nachhaltigkeitsakteure glaubhaft zu sein, ohne einer aus Branchensicht zu strengen Regulierung den Weg zu ebnen“.

Das
Positionspapier offenbart jedoch, dass die etablierte Finanzbranche vor einer
strengeren Taxonomie zurückschreckt. Es dokumentiert, wie unterschiedlich die Ambitionen
beim Thema Sustainable Finance zwischen etablierten und nachhaltig orientierten
Finanzdienstleistern immer noch sind.

Nicht
nur für die Nachhaltigkeitsverantwortlichen der etablierten Institute sollte
dies ein Signal sein, die Auseinandersetzung mit Thema „Nachhaltigkeit im
Kerngeschäft“ wieder verstärkt auf die Agenda der Unternehmensführung zu
setzen.

Ohne Haltung keine klare Positionierung  

Das
Positionspapier zeigt zudem die Notwendigkeit für die etablierten Institute,
sich im Rahmen der anstehenden Nachhaltigkeits-Regulierungen und über einzelne
Regulierungsvorhaben hinaus (neu) zu positionieren.  

Mit der anstehenden Taxonomie-Verordnung, den geplanten EU-Benchmarkregulierungen, den Überlegungen zu EU-Offenlegungspflichten sowie den diskutierten Anpassungen von MiFID II (Stichwort: verpflichtende Hinweis auf Nachhaltigkeit im Kundengespräch) gewinnt das Thema Sustainable Finance weiter an Fahrt. Zudem plant die Kommission eine Verstärkung der Maßnahmen zur Eindämmung der Kurzfristigkeit im Finanzsystem. Ein „weiter so“ mit den bekannten Strategien wird für die etablierten Finanzmarktakteure immer schwerer möglich sein.

Zudem haben auch die Aufsichtsbehörden das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen. Das verdeutlicht nicht zuletzt die aktuelle Publikation der BaFin zum Thema Nachhaltigkeit oder das Netzwerk von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden für die Ökologisierung des Finanzsystems (NGFS). Im Bankenpaket (Maßnahmenpaket der EU-Kommission für die Reform des Bankenwesens) wird die Europäische Bankenaufsichtsbehörde mit der Erstellung von zwei Berichten beauftragt, die sich mit der Einbeziehung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG-Risiken) in den Aufsichtsprozess sowie der aufsichtlichen Behandlung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit ökologischen oder sozialen Zielen befassen. Darüber hinaus werden große Institute verpflichtet, Informationen über ESG-Risiken, denen sie ausgesetzt sind, zu veröffentlichen.

Viele
etablierten Finanzdienstleister entwickeln im Zuge dieser Entwicklungen ihre
Position zum Thema Sustainable Finance immer noch taktisch und folgen nur
schrittweise von Regulierung zu Regulierung.  Dahinter steht ein veraltetes Verständnis, das
die Verantwortung komplett an den Staat abgibt. Notwendig ist jedoch eine langfristig
orientierte Positionierung, die auf einer eigenständigen Haltung zum Thema
Sustainable Finance beruht.

Nachhaltigkeit
ist das große Thema unserer Zeit. Als Teil der Finanzindustrie sind gerade Finanzdienstleister
und Versicherungsunternehmen aufgefordert, Verantwortung für eine nachhaltige
Zukunft der Gesellschaft zu übernehmen.

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